Mach' mal Pause!

Genüsslich das Diensthandy abschalten und sich mit gutem Gewissen in den wohligen Feierabend fallen lassen… Kannst du das? Oder führst du nach Feierabend doch noch dienstliche Telefonate und checkst nachts die Mails? Da bist du nicht allein. Viele Menschen arbeiten mehr, als sie sollten. Wer Pausen skippt und bei Erholungszeiten schummelt, kriegt eine verbesserte Abschalthilfe an die Hand: Die Arbeitszeiterfassung soll Erholung erleichtern.

Das ist die Krux an mobilem und flexiblen Arbeiten: Auch nachts um 2 Uhr leuchtet mal das Handy auf, im Lockscreen blinkt eine geschäftliche E-Mail. Lesen oder weiterschlafen, das ist dann die Frage. Natürlich ist man gern effizient, wird gern gelobt für reibungslose Abläufe, Herzblut und Engagement – aber Hand aufs Herz: Es wär doch auch schön, das Arbeitshandy einfach abschalten zu können. Mal elf Stunden absolute Ruhe vom Job.

Vielen Beschäftigten sind solche Unerreichbarkeitsphasen mittlerweile fremd. Wir haben uns dran gewöhnt, unter Strom zu stehen und immer erreichbar zu sein. Die von Corona angeschobene Ausweitung des Home Office hat dazu beigetragen, dass viele auch nach Feierabend und am Sonntag „noch mal kurz ein wenig“ arbeiten. Die paar Minuten hier und da summieren sich schnell zu mehreren wöchentlichen Überstunden, die völlig unter den Tisch fallen. Dann gibt es kein Geld und keinen Freizeitausgleich. Das ist ärgerlich und verstößt obendrein auch noch gegen das Arbeitszeitgesetz.

Vielen Beschäftigten fällt es schwer, gesetzliche Pausenzeiten und Erholungsphasen einzuhalten, obwohl der Schreibtisch voll ist (oder das Mailpostfach). Fürs Ende-finden brauchen die Beschäftigten Rückendeckung. Fast alle Menschen schätzen schließlich ihren Feierabend, wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Knapp 97 Prozent der Beschäftigten möchten spätestens um 18 Uhr mit der Erwerbsarbeit abschließen und sich anderen Dingen zuwenden.

Permanente Auseinandersetzung mit beruflichen Themen nervt auch beim Abendessen mit der Familie, führt zu Konflikten im Privaten – und zu gesundheitlichen Problemen. Abendliche Arbeit fördert Stress, Schlafprobleme und emotionale Erschöpfung, so die Forschungslage. Eine dauerhaft zu hohe Belastung kann geradewegs in einen Burnout oder eine Depression führen und zu erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Außerdem, auch das ist offensichtlich, schleicht sich eine höhere Fehlerquote ein, wenn man zu lang konzentriert bei der Sache ist. Praktisch jeder Mensch zeigt ab der achten Tagesarbeitsstunde einen deutlichen Leistungsknick (s. z.B. diese Studie des Zentrums für Public Health an der Medizinischen Universität Wien) – inklusive erhöhter Unfallgefahr im Beruf, aber auch im Straßenverkehr auf dem Nachhauseweg. Am Schreibtisch ist das vielleicht nicht so schlimm wie im OP, ist aber trotzdem manchmal peinlich (Mail an den falschen Empfänger geschickt, Meeting vergessen) oder gar gefährlich (Mail mit Interna an Konkurrenz geschickt, superwichtiges Meeting vergessen).

Da wir dazu neigen, uns im Job stark zu verausgaben, werden jetzt auch die Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen und sollen Pausen und Erholungszeiten bei ihren arbeitswütigen Beschäftigten durchsetzen. Chef oder Führungskraft muss sich spätestens seit Beginn des Jahres darum kümmern, dass die Mitarbeiter*innen nicht zehn Stunden durcharbeiten, nachts noch Korrespondenzen beantworten und am nächsten Tag wieder um 8 Uhr auf der Matte stehen. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht im September 2022 ein Grundsatzurteil gefällt. Es besagt, dass alle Arbeitszeit der Beschäftigten erfasst werden muss und der Arbeitgeber eingreifen muss, wenn man nach der Überschreitung von Höchstarbeitszeiten weiterarbeitet.

Mit anderen Worten: Pausen und Erholungsphasen sind Pflicht (nicht neu) und Vorgesetzte müssen dafür sorgen, dass du diese Zeiten einhältst (in dieser Klarheit neu)!

Die Erfassung der Arbeitszeit ist zum einen Instrument für Beschäftigte, die damit ihren Anspruch auf Pausen und Feierabend bzw. Erholung untermauern können. Zum anderen nimmt sie die Arbeitgeber in die Pflicht, diese Pausen durchzusetzen, wenn Beschäftigte sie nicht von sich aus wahrnehmen.

Dabei ist es weiterhin möglich, dass die Beschäftigten ihre Stunden selbst aufschreiben. Der Arbeitgeber ist aber dazu verpflichtet, die Dokumentation zu prüfen und sicherzustellen, dass er eingreifen kann, wenn du nach der Überschreitung von Höchstarbeitszeiten weitermachst. Die Erfassung muss unverzüglich erfolgen und sämtliche geleistete Arbeit umfassen – Zeiten von Arbeitsbereitschaft, Überstunden, tägliche und wöchentliche Stunden sowie Beginn, Ende und Pausen. Bei der Ausgestaltung des Arbeitszeiterfassungssystems hat der Betriebsrat ein Initiativrecht.

Gleiches gilt übrigens für Beschäftigte mit Vertrauensarbeitszeit und im Homeoffice! Vertrauensarbeitszeit bedeutet ja gerade, dass Beschäftigte ihre Arbeit zeitlich selbst organisieren und der Arbeitgeber ihnen in dieser Hinsicht vertraut. Andersherum müssen aber auch die Beschäftigten darauf vertrauen, dass sie die Erwartungen in der vorgegebenen Arbeitszeit gut erfüllen können.

Für Beschäftigte, Betriebsräte und umsichtige Vorgesetzte ist das Gesetz ein Hebel, um gesundheitsschädliches Arbeiten einzudämmen. In Zeiten von überlangen Arbeitszeiten, vielen Überstunden und zu knapper Personalbemessung kommt das Gesetz allen Beschäftigten zugute – für einen Feierabend mit gutem Gewissen.