Führung im Wandel

Gastbeitrag von Simon Mehl, Evolog Beratungsgesellschaft, Köln. Evolog arbeitet psychologisch ausgerichtet und ist seit 35 Jahren u.a. in der Organisations- und Führungskräfteentwicklung tätig.

In der heutigen Zeit wird mehr als jemals zuvor über Personalführung und die Gestaltung von Hierarchie und Zusammenarbeit in Teams gesprochen und diskutiert. Zum Teil wird die Funktion von Führungskräften grundlegend in Frage gestellt, wodurch der Eindruck entsteht, dass etablierte Führungskonzepte ausgedient haben. Neue, agile Formen der Zusammenarbeit drängen sich auf, verändern festgelegte Rollen, ordnen Verantwortungsbereiche und Weisungsbefugnisse neu und verkünden dabei vielversprechende Botschaften. Schneller, flexibler und demokratischer soll es in Teams zugehen, das Arbeitsergebnis dadurch kundenorientierter, individueller und effizienter ausfallen.

Dieser Artikel beleuchtet die Rolle der Führungskraft in der heutigen Zeit. Wie ist die Funktion von Führung in der Zusammenarbeit von Menschen? Findet ein Wandel statt? Wenn ja, worin besteht dieser Wandel und welche Herausforderungen bringt er mit sich?

Wenn wir von Wandel sprechen, bedingt dies einen vorherigen Zustand und eine Veränderung hin zu etwas Neuem. Richten wir den Blick auf die heutige Arbeitswelt, finden wir in den sogenannten Megatrends die größten Treiber von Veränderung.

Einer dieser Trends ist die Digitalisierung. Schon seit einigen Jahren werden an vielen Stellen Arbeitsprozesse digitalisiert und ein Großteil der Kommunikation verlagert sich, nicht erst seit der Corona-Pandemie, in den virtuellen Raum. Dies erfordert sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitern eine Anpassung an neue Systeme und das Erlernen von neuen Fähigkeiten.

Ein zweiter Trend ist die Globalisierung, wodurch der Druck im Markt und der Drang nach Innovation und Weiterentwicklung für die Unternehmen stetig steigt. Dieser Druck wird häufig ungefiltert und ohne Lösungsansatz durch die Hierarchieebenen weitergegeben.

Ein dritter Megatrend liegt in der, vor allem durch die jüngeren Generationen vorangetriebenen, Individualisierung. Mitarbeiter hinterfragen heute eher etablierte Prozesse und Entscheidungen. Sie bestehen auf der Anerkennung Ihrer Individualität und treten selbstbewusst für ihre Werte ein. Viele Mitarbeiter möchten Entscheidungen erklärt bekommen und ihnen ggf. widersprechen. Viele Mitarbeiter vertreten veränderte Ansprüche, was sich u.a. in der offensiven Forderung nach Berücksichtigung der persönlichen Vorstellung einer optimalen Work-Life-Balance zeigt.

Der vierte Megatrend beschreibt einen grundlegenden Wandel unserer Bevölkerungsstruktur. Der demographische Wandel führt dazu, dass der Anteil der arbeitenden Menschen jenseits des 55. Lebensjahres zunimmt. Sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit zur Veränderung fallen diesen Menschen häufig schwerer als jüngeren, da sie manchmal jahrzehntelang mit wenig bis keiner Anpassung ihrer Tätigkeit konfrontiert waren.

Wir stellen fest, dass sich die Arbeitswelt durch die genannten technologischen, wirtschaftlichen und soziologischen Entwicklungen in einem kraftvollen und unaufhaltsamen Wandel befindet und Herausforderungen auf vielen Spielfeldern mit sich bringt. Es entstehen Wachstum und Fortschritt, aber auch neue Unsicherheiten. Veränderungen werden gefordert und treffen gleichzeitig auf Widerstände.

Richten wir im Folgenden den Blick auf die Funktion der Führungskraft, um die Herausforderungen für die in dieser Position tätigen Menschen sichtbar zu machen.

Die Führungskraft in ihrer grundlegenden Funktion hat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Unternehmensziele umgesetzt werden. Dabei wurde in der Vergangenheit häufig der Versuch unternommen, Führung nach bestimmten, festgelegten Konzepten oder Stilen zu propagieren. Diese Konzepte reichten von Macht-basierter Weisung und Kontrolle bis zu selbstbestimmten Laissez-Faire-Ansätzen. All diese Stile haben gemeinsam, dass sie starr festgelegt wurden und die alltäglichen Themen von Führung nicht tiefergehend thematisieren. Dies kann über einen gewissen Zeitraum funktionieren, jedoch geraten sie früher oder später an ihre Grenzen. In der Praxis wird dies häufig durch negative Ergebnisse in Mitarbeiterbefragungen, eskalierende Konflikte oder eine hohe Anzahl an Krankheitstagen sichtbar.

Starre Führungsstile blenden die Wirklichkeit in der gemeinsamen Arbeit von Menschen aus. Zusammenarbeit erzeugt stets eine dynamische Situation. Sie wird durch die Beziehungen untereinander, individuelle Kompetenzen und Motivationen, sowie sich fortlaufend verändernde Lebenssituationen der Beteiligten erzeugt. Zudem entstehen immer wieder Spannungen, die ausgeglichen werden wollen. Dadurch entsteht eine Arbeits-Wirklichkeit, die einem stetigen Wandel unterliegt, der zusätzlich durch personelle Veränderungen beständig angetrieben wird.

Die Dynamik der Arbeits-Wirklichkeit zeigt, dass auch Führung bei näherer Betrachtung, neben der Umsetzung der Unternehmensziele, weitere entscheidende Funktionen besitzt. Sie muss den Mitarbeitern Orientierung über Ziele, benötigte Kompetenzen und den Weg dorthin geben. Zudem muss es der Führungskraft gelingen, Motivation zu erzeugen. Dabei geht es darum, innerhalb eines klaren Rahmens, die für die Mitarbeiter und den Sachverhalt passende Herangehensweise zu finden. Ein weiterer Auftrag besteht darin, die individuelle Entwicklung der Mitarbeiter mit der des Unternehmens in Einklang zu bringen und dabei Loyalität und Zufriedenheit zu generieren.

Wer Führung im Detail betrachtet, erkennt ihren ständigen Wandel und die enorme Bedeutung ihrer Funktion. Sie ist eng verknüpft mit der Persönlichkeitsentwicklung der Führungskräfte und hat direkten Einfluss auf die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter.

Die oben beschriebenen Megatrends führen im 21. Jahrhundert nicht nur dazu, dass neue Formen der Zusammenarbeit entstehen. Sie erhöhen in nie dagewesener Weise die Transparenz und zeigen, dass die Auseinandersetzung mit Führung heutzutage unabdingbar ist, wenn Unternehmen Fachkräfte binden und am Markt erfolgreich sein wollen. Dies wird besonders an den Stellen sichtbar, an denen in der Vergangenheit keine wirkliche Führung stattgefunden hat.

Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, die für ihr Arbeitsumfeld, ihre Mitarbeiterstruktur und ihre Marktanforderungen entscheidenden Faktoren zu ermitteln. Des Weiteren gilt es, die eigenen Führungskräfte gezielt dahin zu entwickeln, diese Faktoren steuern zu können. Ein großer Anteil liegt dabei in der Klärung von Verantwortung. Dies jedoch bloß durch die Einführung eines agilen Konzeptes zu erledigen, wird weder der tatsächlichen Arbeits-Wirklichkeit noch den in ihr tätigen Menschen gerecht.    

Die Funktionen von Führung sind vielfältig und ihre Bedeutung in Organisationen ist groß. Befindet sie sich, wie die Welt um sie herum, in einer besonderen Phase des Wandels oder ist sie von Grund auf ständig dynamisch in Bewegung? Beantworten Sie diese Frage nach dem Lesen dieses Textes für sich und ihr Unternehmen selbst, aber verpassen Sie nicht den Moment, sich dem Thema Führung in ihrem Unternehmen zu widmen.