Betriebliche Übung: Wie Gewohnheit zu einem vertraglichen Anspruch wird
Was ist eine „betriebliche Übung“ – wer übt hier was? In diesem Artikel erfährst du, wie aus Gewohnheit Recht wird. Denn wenn dir dein Arbeitgeber über längere Zeit Vorteile einräumt, kannst du davon ausgehen, dass es seine Absicht ist, dir diese Vorteile dauerhaft zu gewähren. Dann wird aus etwas, was in deinem Arbeitsalltag „üblich“ ist, ein Teil deines Arbeitsvertrages. Dieses Prinzip des Arbeitsrechtes nennt man „betriebliche Übung“. Aber Vorsicht: Der Gesetzgeber hat noch eine Hintertür für die Arbeitgeber offengelassen: den sog. Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt. Was es damit auf sich hat, erfährst du in der Fortsetzung dieses Beitrags.
Jurist*innen definieren die betriebliche Übung als „regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen durch den Arbeitgeber, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden“. Das kann sich auf ganz unterschiedliche Benefits beziehen: auf monetäre Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, betriebliche Prämien und Boni ebenso wie auf freie Tage an Rosenmontag, Heiligabend und Silvester. Diese Tage sind nämlich keine gesetzlichen Feiertage, sondern so genannte „Brauchtumstage“, an denen Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet sind, wenn sie keinen Urlaub bekommen haben.
Wann entsteht eine betriebliche Übung?
Dabei ist nicht entscheidend, ob es wirklich die Absicht des Arbeitgebers war, dir etwas Gutes zu tun. Eine betriebliche Übung kann auch durch einen Rechenfehler entstanden sein oder dadurch, dass der Arbeitgeber einfach keine Regeln vorgegeben hat, etwa bei der privaten Nutzung dienstlicher Geräte oder des Firmenwagens. Entscheidend ist allein, dass bei dir in aller Fairness deinem Arbeitgeber gegenüber – „Treu und Glauben“ nennen das Jurist*innen – der Eindruck entstehen muss, der Arbeitgeber wolle dir diese Leistung weiterhin gewähren. Außerdem ist wichtig, dass eine Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen betroffen sind oder zumindest eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmer*innen. Sind diese Bedingungen erfüllt, „erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen“, wie das Bundesarbeitsgericht formuliert hat. Wenn nur du allein betroffen bist, kann unter Umständen auch ein Anspruch entstehen. Allerdings handelt es sich dann nicht um eine betriebliche Übung.
Bei jährlichen Leistungen kannst du davon ausgehen, dass nach dreimaliger Wiederholung eine betriebliche Übung entstanden ist. Wenn der Arbeitgeber also dreimal eine tarifliche Sonderzahlung aufgestockt hat, hast du einen Anspruch darauf, dass er das auch weiterhin tut. Komplizierter wird es, wenn es um alltägliche Vorgänge im Betrieb geht, zum Beispiel ob du an deinem Arbeitsplatz privat im Internet surfen darfst. Arbeitsrechtler*innen gehen davon aus, dass ein Anspruch entstanden ist, wenn dein Arbeitgeber das ein halbes Jahr lang toleriert hat.