Urlaubsgeld erschließt die Welt
Die schönsten Wochen des Jahres liegen hinter uns, der Arbeitsalltag hat die meisten von uns wieder. Sich an die schöne Zeit zu erinnern hilft, den Erholungseffekt zu verlängern. Deshalb denke kurz zurück: Wohin bist du gereist? Was hast du gemacht? Hast du dir einen lang gehegten Traum erfüllt? Oder hast du vielleicht ganz überraschend eine neue Leidenschaft, ein neues Hobby entdeckt?
Rund um das Thema Urlaub ist für Beschäftigte nicht nur die Anzahl der freien Tage interessant, sondern auch die Frage nach dem Urlaubsgeld. Je höher es ausfällt – desto mehr kann man sich davon leisten.
„Urlaubsgeld erschließt die Welt“ – mit diesem Slogan startete der DGB 1956 eine groß angelegte Kampagne für tariflich abgesichertes Urlaubsgeld. Denn das Urlaubsgeld ist – ebenso wie das Weihnachtsgeld bzw. die Jahresleistung – grundsätzlich eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers, da es gesetzlich nicht geregelt ist. Historisch gesehen wurde es eher sporadisch und längst nicht an alle Beschäftigten gezahlt. Daher setzten sich die deutschen Gewerkschaften schon früh dafür ein, nicht nur den Anspruch auf Erholungsurlaub tariflich zu regeln (das Bundesurlaubsgesetz trat erst 1963 in Kraft), sondern auch den Anspruch auf Urlaubsgeld. Schließlich machte diese Zahlung „außer der Reihe“ vielen Beschäftigten eine Urlaubsreise erst möglich. Und heute, vor dem Hintergrund von Inflation und steigenden Preisen, kann das Urlaubsgeld sicher für ein wenig Entlastung der Haushalts- und damit auch der Urlaubskasse sorgen.
Was vielen Arbeitnehmer*innen als selbstverständlich erscheint, ist noch lange nicht Standard in Deutschland: Eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass jede*r zweite Beschäftigte in Deutschland kein Urlaubsgeld bekommt[1]. Im Schnitt erhalten 46 % der Beschäftigten Urlaubsgeld – in Ostdeutschland sind es 32 %, in Westdeutschland 48 %.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Urlaubsgeld besteht also nicht. Ob Urlaubsgeld gezahlt wird oder nicht, hängt deshalb vom jeweiligen Tarifvertrag ab, denn erst durch die tarifliche Bestimmung wird es zu einer sicheren Zahlung im Arbeitsverhältnis. In Unternehmen, in denen kein Tarifvertrag gilt, kann das Urlaubsgeld auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Aber auch nur dann, denn die Regelung von Urlaubsgeld ist den Tarifparteien vorbehalten. Und schließlich kann es noch im Arbeitsvertrag geregelt werden. Einige Arbeitgeber machen das, um auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das WSI, das für seine Studie 66.000 Beschäftigte befragte, ermittelte, dass in tarifgebundenen Unternehmen der Privatwirtschaft 74 % der Beschäftigten Urlaubsgeld erhalten, gegenüber 36 % in Unternehmen ohne Tarifvertrag. So erklärt sich auch der niedrige Prozentsatz der Urlaubsgeldempfänger*innen in Ostdeutschland – dort unterliegen viel weniger Firmen einem Tarifvertrag.
In Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und IGBCE stand und steht das Urlaubsgeld immer wieder im Fokus der Verhandlungen. Beschäftigte in unseren tarifgebundenen Unternehmen profitieren von den guten Ergebnissen: Starke Steigerungen gab es in den letzten Jahren beispielweise in der chemischen Industrie (wo das Urlaubsgeld 2018 nahezu verdoppelt wurde), in der Feinkeramik und der Papierindustrie. Und das ist nicht nur für Tarifbeschäftigte interessant – durch die Koppelung des AT-Status an die Tarifverträge kommen Verbesserungen durch attraktive Tarifabschlüsse indirekt immer auch den AT-Beschäftigten zugute.
Wie bei vielen anderen Arbeitsbedingungen zeigt sich also auch beim Thema Urlaubsgeld: Tarifbindung und Gewerkschaftsmitgliedschaft lohnen sich! Denn nur wer Mitglied ist, hat im tarifgebundenen Unternehmen einen rechtssicheren Anspruch auf das zusätzliche Geld.
[1] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-46-prozent-aller-beschaftigten-bekommen-urlaubsgeld-41709.htm